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Hartmann
von Aue: Der arme Heinrich ,
Nachdichtung
(2003, Hanser)
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Aus
dem Nachwort von Norbert Miller: Rainer Malkowski wird
nicht zu Hartmann von Aue wie die Übersetzer und Nachahmer
seit der Romantik. Er taucht auch nicht in der Epoche unter
wie Rudolf Borchardt in seiner sprachmächtigen Erneuerung
des Werks aus archaisierender Wiederherstellung des deutschen
Hochmittelalters. Er tritt vielmehr hinter den Erzähler
Hartmann und folgt in skeptischer Bewunderung den klaren und
klugen Erklärungen, die dieser zu seiner unerhörten
Begebenheit seinen Lesern vorträgt. Und zugleich leiht
er dem durch Jahrhunderte von ihm getrennten Dichter, der ein
Ritter war und für ein höfisches Publikum schrieb,
seine bürgerliche Stimme, um ihn heutigen Lesern als einen
ihrer Zeitgenossen vorzustellen. Die Nachdichtung reiht sich
in die Folge von Rainer Malkowskis Lyrikbänden ein. (
)
Nach wenigen Seiten ahnt der Leser, nach dem ersten Viertel
weiß er, wie es einem so eigenwilligen, in jeder Zeile
so unverwechselbaren Lyriker wie Rainer Malkowski gelingen konnte,
diese ferne Krankenlegende in sein Werk zu integrieren. Er hat
ja keine Übersetzung im strengen Sinn verfaßt, wie
das 19. Jahrhundert sie als romantische Mimikry in Versen, wie
Rudolf Borchardt sie in der strengen Fortschreibung des Originals
oder wie die Philologie des 20. Jahrhunderts sie als Lesehilfe
in Prosa vorgelegt hat. Seine Nachdichtung ist Spiegelung des
eigenen Denkens und der eigenen Thematik im fremden Gleichnis,
im fremden Wort. Er hat sich mit Hartmann von Aue intensiv beschäftigt,
hat jede Wendung, jede kunstvolle Figur der Rhetorik und jedes
Vergleichsbild sich ganz zu eigen gemacht, ehe er die Erzählung
Zeile für Zeile in seine Sprache herübergeholt hat.
Die zweisprachige Ausgabe erlaubt dem Leser die Metamorphose
des einen in den anderen Text in jedem Moment genau nachzuverfolgen.
Nur geht es dem modernen Autor das ist anders als sonst
in zweisprachigen Editionen nicht um die Nachprüfbarkeit
der Texttreue, sondern um die Einsicht in den veränderten
Zusammenhang, aus dem heraus die gleiche Geschichte erzählt
wird.
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